Ich sollte eigentlich schon lange losgefahren sein... Meine Sporttasche stand gepackt auf meinem kleinen Bett und mein Motorrad stand vor dem Wohnwagen bereit zur Abfahrt. Was hinderte mich noch daran zu gehen? Zwei Wörter: meine Schwester. Wie immer... sie hatte mich schon praktisch mein ganzes Leben lang aufgehalten, immer und immer wieder. Heute war wieder etwas das langsam Routine war. Wieso konnte ich ned gehen? Wegen meinen Eltern, vor allem wegen meinem Vater. Sie bevorzugten meine Schwester schon ihr Leben lang, nicht das mich das aufgehalten hätte. Onkel Timothy hatte mir schon vorhin Tschüss gesagt und dachte ich sei schon auf dem Weg in die école des artistes cirquistes... ja richtig: ich war seid heute Schüler an der EDAC, vorausgesetzt dass ich da jemals ankommen werde... Mein Onkel war extrem stolz auf mich aber bei meinen Eltern fehlte der Stolz... ich war mir das gewöhnt. Meine Schwester war extrem wütend, dass sie ned aufgenommen wurde. Und das war jetzt genau der Punkt. Sie wollte nicht das ich gehe und meine Eltern tun ja alles für ihr Engelchen... Und jetzt sass ich in meinem Zimmer auf dem Bett und starrte an die Wand. Ich könnte einfach gehen, doch das würde ich nicht machen. Nicht aus Respekt vor meinen Eltern, wobei man beachten muss dass Respekt auf zwei verschiedene Arten definiert werden kann: 1. Achtung vor jemandem zu haben, ihn zu akzeptieren, 2. Angst vor jemandem oder etwas zu haben. Bei mir traf eher das Zweite zu. Ich hatte nicht Angst vor meinem Vater oder irgendjemandem anders... ich hatte Angst davor wieder alleine zu sein. Ich zeigte es nicht, aber seid er mich als 12-Jähriger rausgeworfen und verprügelt hatte, hatte ich enorme Angst davor alleine zu sein. Onkel Timothy war ned da gewesen, niemand war da gewesen. Nur der Direktor, aber der wollte mich eh nur in seiner Show sehen... später fand ich ja raus, dass es wegen seiner Frau war. Die zwei waren extrem gutherzig und ich mochte sie. Nun ja... jedenfalls heulte meine Schwester jetzt da Draussen meinen Eltern die Ohren voll wie unfair es sei, dass ich gehen dürfe und sie nicht. Daher hatte mich mein Vater auf weiteres hier eingesperrt. Ich könnte raus, ich kann Schlösser knacken, ich könnte aus dem Fenster steigen. Aber was tat ich? Ich sass auf meinem Bett und starrte an die Wand. Wieso? Weil ich sie nicht noch mehr enttäuschen wollte als sonst schon... Ich hörte jetzt plötzlich die Tür aufgehen. Dann Schritte und meine Tür wurde aufgeschlossen und ging auf. Vor mir stand Onkel Timothy. Ganz entgeistert sah er mich an und meinte: "Ilya? Könntest du mir erklären wieso dein Motorrad da Draussen steht und du hier drin sitzt wenn du in zehn Minuten an der etwa eineinhalb Stunden entfernten EDAC sein solltest???!". Ich seufzte und meinte: Was fragst du mich? Frag das Engelchen.... Er setzte sich zu mir und meinte: "Ilya, kennst du die Geschichte von meinem Sohn?". Ich nickte und meinte: Er ist von einem Trapez gestürzt und hat sich den Nacken gebrochen. Er war sofort tot. Mein Onkel seufzte und lächelte schwach. "Genau. Und weisst du was mir den Schmerz leichter gemacht hat? Zu wissen, dass er bei dem gestorben ist was er tun wollte... Ich weiss dass du so bist wie ich. Du liebst das Feuer und du lässt das dir von nichts nehmen... Und darum musst du jetzt gehen, sonst wirst du es für immer bereuen. Die EDAC ist eine einmalige Chance... deine Chance ihnen zu beweisen, dass du viel mehr kannst als sie denken. Deine Chance das zu tun was du willst und das für immer...", erzählte er und ich nickte. Ich umarmte ihn kurz und flüsterte ein Danke. Dann nahm ich meine Sporttasche und ging aus dem Zimmer. Ich lief an meinen Eltern und meiner Schwester vorbei ohne ein Wort. Kaum draussen setze ich meinen Motorradhelm auf und hörte noch wie meine Schwester mir hinterher schrie, was für ein Idiot ich doch sei. Dann betätigte ich den Kickstart und fuhr viel zu schnell los. Die kalte Luft tat mir gut. Beim Motorradfahren konnte ich gut nachdenken... besser als irgendwo anders. Ich würde nach dem Mitagessen erst ankommen, aber wenigstens irgendwann... Endlich war ich sie alle los und konnte mich auf das konzentrieren was ich machen wollte: Feuerakrobatik. Ich dachte an das was mir mein Onkel immer gesagt hatte: Das Feuer ist dein einziger Freund, auch wenn es manchmal zu deinem Feind wird... Streitereien sind normal zwischen Freunden. Das mit den Streitereien kannte ich gut. Mein rechter und vor allem linker Unter- und Oberarm waren mit verschiedenen kleineren und grösseren Narben von Verbrennungen gezeichnet. Doch mich störten sie schon lange nicht mehr. Ich verwarf die Gedanken und konzentrierte mich wieder auf die Strasse. Dann beschleunigte ich und brauste die Strassen entlang.